Epilepsie beim Hund – Chaos im Hundehirn
Ein Hund der plötzlich das Bewusstsein verliert, zur Seite kippt und von heftigen Krämpfen geschüttelt wird. Wild in der Luft rudernde Beine und Schaumbildung vor dem Maul. Daneben ein Herrchen, dem der fürchterliche Anblick Angst macht und der mit seinem Tier leidet. Das alles passiert bei einem akuten epileptischen Anfall. Doch was steckt hinter dieser Erkrankung, die Herrchen hilflos macht und den Vierbeiner in seiner Lebensqualität derart einschränkt?
Die Epilepsie stellt die häufigste neurologisch chronische Erkrankung in der Kleintiermedizin dar. Prozentual sind 0,5-7% aller Hunde von dieser Krankheit betroffen. Für bestimmte Rassen sind Erbgänge der Epilepsie nachgewiesen. Diese sind Labrador und Golden Retriever, sowie der Berner Sennenhund. Rassen mit gehäuftem Vorkommen von Epileptikern sind u.a. der Deutsche Schäferhund, Viszla und Springer Spaniel. Generell können aber alle Rassen, auch Mischlinge, spontan eine Epilepsie entwickeln.
Symptomatik
Hauptsymptom ist ein Zustand chronischer und sich stets wiederholender Krampfanfälle. Diese werden auch als Cluster bezeichnet, wenn mehr als zwei Anfälle innerhalb von 24 Stunden auftreten oder als Status epilepticus, wenn der Anfall länger als 5 Minuten bestehen bleibt. Dies sind dann lebensbedrohliche Notfallsituationen, die eine sofortige medizinische Behandlung verlangen.
Als Ursache dieser Krämpfe vermutet man ein Ungleichgewicht von hemmenden und erregenden Botenstoffen an den Nervenzellen des Gehirns. Diese Imbalance führt zu unkontrollierten Einzelentladungen innerhalb der Hirnströme, die sich dann im Krampfanfall äußern. Verbildlich dargestellt wird die vollkommene Harmonie der bis dahin geordneten Hirnströme schlagartig in ein heilloses Durcheinander verwandelt. Es tritt augenblicklich eine vollständige Beeinträchtigung des Bewusstseins, der motorischen, sensorischen und autonomen Funktionen auf. Es kommt zu starken Krämpfen und rudernden Beinbewegungen, manchmal auch zu unkontrolliertem Kot- und Harnabsatz. Nach dem Anfall ist das Tier oft desorientiert, erschöpft, zeigt vermehrten Hunger und Durst. Dieser gestörte Zustand kann von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden anhalten.
Die Formen der Epilepsie
Klassifiziert wird die Epilepsie je nach ihrer ursächlichen Entstehung in drei Formen, genannt idiopathische, symptomatische und kryptogene Epilepsie. Die idiopathische oder auch primäre Epilepsie stellt hierbei die häufigste Form da. Das Kennzeichnende dieser Form ist, dass das Tier bis auf die Krampfanfälle komplett gesund ist. Eine allgemeine, neurologische und organische Untersuchung des Patienten bleibt völlig ohne Befund. Auch Blut- und Leberparameter sind im Normalbereich und zeigen keinerlei Abweichungen. Betroffen von dieser Form sind ausschließlich Tiere, die in einem Alter von einem bis fünf Jahren ihren ersten Krampfanfall erleiden. Das richtige Alter ist wichtig für die Diagnose. Bleiben dann weitere Untersuchungen ohne Befund, kann man von einer idiopathischen Epilepsie ausgehen. Weitere spezielle neurologische Untersuchungen mit MRT- Aufnahme des Gehirns und Untersuchung der Hirnflüssigkeit lassen die Diagnose noch enger einkreisen.
Die zweite Art von Epilepsie ist die sogenannte symptomatische Form. Die Ursache der Krampfanfälle liegt hierbei in einer Läsion innerhalb des Gehirns. Man spricht von einem intrazerebralen Geschehen. Dies kann beispielsweise ein Hirntumor, eine Blutung oder eine Hirnentzündung sein. Die dritte und letzte Form der Epilepsie ist die reaktive Form. Diese bezeichnet Krampfanfälle, die durch Läsionen welche außerhalb des Gehirns liegen, ausgelöst werden. Dieses können Stoffwechsel- Schilddrüsen-, Leber oder sonstige Organerkrankungen sein. Auch Vergiftungen oder hormonelle Störungen können in diesem Fall verantwortlich für die Epilepsie sein.
Therapie
Die Therapie der idiopathischen Epilepsie, in der keine auslösende Krankheit vorliegt, besteht in lebenslanger Medikamentengabe des Präparats Luminal®, welches zur Standardtherapie genutzt wird. Die anderen Formen der Epilepsie werden über die Therapie ihrer auslösenden Ursache behandelt.
Alternativ kann man auch Kaliumbromid einsetzen, dessen Wirkung sich allerdings erst nach 1-3 Monaten voll entfaltet. Aufgrund dessen wird dieses Medikament nur für Tiere, die aufgrund von bestehenden Lebererkrankungen nicht mit Luminal® therapiert werden dürfen, eingesetzt. Parallel zur Medikamentengabe muss eine regelmäßige Untersuchung des Tieres erfolgen. Hierbei werden Blutbild, Leberwerte und Medikamentenspiegel kontrolliert, so dass im Bedarfsfall schnell eingegriffen werden kann. Etwa einem Drittel aller Epileptiker kann man mit dieser Behandlung ein nahezu normales Hundeleben ermöglicht werden. Anfallshäufigkeit und ihre jeweilige Intensität minimieren sich im besten Fall um mehr als die Hälfte, was eine hohe Lebensqualität zwischen den einzelnen Anfällen garantiert.
Alltag mit Epilepsie
Dieser Erfolg erfordert neben dem richtigen Medikament, seiner passenden Dosierung und den regelmäßigen Kontrollen, auch eine sehr gute Kommunikation mit dem behandelnden Tierarzt. Halter und Tierarzt müssen eine Einheit bilden und individuell auf etwaige Zustandsverschlechterungen des Hundes reagieren können. Der Besitzer wird mit der Pflege seines kranken Tieres einer sowohl psychischen als auch finanziellen Belastung ausgesetzt. Dieses muss klar kommuniziert werden. Kosten, Nebenwirkungen der Medikamente und Krankheitsverlauf sind durch den Tierarzt genau zu erläutern.
Der Besitzer seinerseits muss alternativen Behandlungsmethoden gegenüber aufgeschlossen sein und ein hohes Maß an Bereitschaft zeigen, diese konsequent anzuwenden. Die psychische Belastung, der Zeitaufwand der Therapie und das individuelle Management des Tieres sind häufig die zentralen Probleme, die diese Erkrankung mit sich bringt. In traurigen Fällen kann dies unter Umständen dazu führen, dass ein betroffenes Tier eingeschläfert werden muss, ohne dass ein akuter medizinischer Grund dafür vorliegt.